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Budowitz am 1.3.2001 im kleinen Konzersaal Gasteig München

(Besprechung: Thilo Jörgel)

Budowitz am 1.3.2001 im kleinen Konzersaal Gasteig München

Besprechung desselben Konzerts von Gus

Die Braut unter die Haube bekommen

Budowitz im Gasteig München

Budowitz gehört zu jenen modernen Klezmer-Ensembles, die deshalb modern sind, weil sie so altmodisch sind.
Während unzählige neue Klezmer-Ensembles in die Szene drängen, die Klezmer mit Jazz, Klassik oder Rock vermengen und viele „neue“ Klezmerrichtungen eingehen, macht Budowitz die Reise mit der Zeitmaschine ins 19. Jahrhundert: Back to the roots.

Im Münchner Gasteig erklangen jene Hochzeitslieder, die in Osteuropa vor, während und nach einer jüdischen Hochzeit erklangen und sie erst zu einer richtigen Hochzeit machte. Denn was gibt es langweiligers als eine Hochzeit ohne Musik?
Es waren also jene Lieder, die die umherziehenden jüdischen Musiker, im Jiddischen „Klezmorim“ genannt, in- und vor allem- auswendig spielten, um die Braut unter die „Chupe“ zu bekommen, wovon das hochdeutsche Wort „Haube“ abgeleitet ist.

Der musikalische Kopf des Quintetts, Joshua Horowitz, führte das Publikum in die rumänischen Doinas, Sirbas oder in die als „Bulgars“ bekannten, ungeraden Rhythmen Osteuropas ein. Was auch immer aus Galizien, Bessarabien oder der Bukowina an Rhythmen tradiert wurde, hat der Musikethnologe Horowitz in den letzten Jahren gesammelt und ausgewertet.
Der eigentlich Witz bei Budowitz ist aber nicht nur die atemberaubende Darbietung der „Schtiklech“, sondern die Instrumentierung des Ensembles. Horowitz ist einer der wenigen Meister auf einem Instrument, das von kaum jemanden gespielt und von noch weniger richtig gespielt wird: Die Tsimbl. Eine modifizierte, nach Plänen aus dem 19. Jahrhundert rekonstruierte, Hackbrett-Version, die angeblich jüdische Einwanderer nach Rumänien brachten und die charakteristisch für den damaligen Klezmer-Sound wurde.

Im Duett mit Zsolt Kürtösi am Bassetl, ein Art Cello, das man wie eine Gitarre umhängt, zeigte Horowitz wie man die traditionellen Themen filigran modifizieren kann - wenn man es denn kann. Von weniger virtuosen Könnern oftmals nur als Hintergrundbegleitung benutzt, zeigte Klezmer Horowitz, wie man Melodien darauf spielt und sich gleichzeitig mit Akkorden begleitet.

Und mindestens ebenso virtuose Töne entlockt der Amerikaner seinem Knopf-Akkordeon, das im Gegensatz zu den heute verwendeten Modellen, etwas leiser und damit auch weicher klingt. Im Ensemble dominierte lautstärkemäßig meist die C-Klarinette von Christian Dawid. Während die meisten Gruppen mit B- oder gar A-Klarinettisten arbeiten, hält sich auch hier Budowitz an die historischen Instrumentenvariation. In seiner Urform klingt die Klarinette etwas von den Höhen dominiert und somit auch dominanter, was leider auch zur Folge hatte, dass die erste Geige (Tamás Gombai) in dem ohne technische Verstärkung dargebotenem Konzert etwas unterging.
Was aber nicht heißen sollte, dass eine Anlage vonnöten gewesen wäre, ganz im Gegenteil: Nichts wirkt näher, direkter und vom Klang authentischer als ein Instrument ohne technische „Verzauberung“. Die Akustik des kleine Konzertsaals unterstützte jedenfalls die Gesamtwirkung des Konzertes. Und mit noch einem Instrument ging Budowitz „back to the roots“: die dreisaitige Bratsche, die sich Sándor Tóth nicht unters Kinn klemmte, sondern an die Schulter presste und mit kurzen Staccato-Strichen den Rhythmus des Cellos unterstützte. Auch diese Technik haben viele Geiger und Bratschisten in der heutigen Klezmerszene nicht übernommen.

Herrlich unprätentiös und harmonisch verlief die Kommunikation auf der Bühne und mit den diffizilen Übergänge zwischen den einzelnen Soli und den folgenden Themen verblüffte das Ensemble nicht nur Laien. Nichts hätte den Abend besser widergespiegelt als der Titel ihres aktuellen Albums „Wedding without a bride“

Die Kapelle war exzellent, aber wo war die Braut der Hochzeit?

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