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nu
nu

(Besprechung: Christian Dawid)

nu (2005)

Herr Brinkmann ist ein kreativer Mensch. Das weiß die Klezmerwelt spätestens seit Huljet, mit denen er in Nürnberg lange Jahre Klezmerinnovation betrieben hat. Nun ist Herr Brinkmann in seine rheinische Heimat zurückgekehrt, hat seine Erfahrungen gebündelt und etwas ganz anderes
angefangen.
In Herrn Stadler hat er dabei den idealen Partner für ein minimalistisches Projekt gefunden:
nu trägt nicht nur den kürzesten aller möglichen klezmerischen Namen, es bildet auch die kleinste aller Ensembleformen.

Klarinette und Akkordeon sind füreinander geschaffen.
Wenn die Stammzelle aller Klezmergruppen das Geigen-Tsimbl-Duo ist, dann ist das Klarinette-Akkordeon-Duo sozusagen seine etwas modernere Übersetzung.

Das wunderbare Spannungsfeld zwischen Homogenität und Heterogenität ist beiden gemeinsam, ebenso die dynamische Spannbreite.

 

nu wissen diese Qualitäten zu nutzen. Beide sind Instrumentalisten erster Güte und haben zusammen eine Spielkultur entwickelt, die leicht und präzis ist und dabei viel Raum für Impulsivität lässt. Und das ist dann auch gleich ihre stärkste Seite: Brinkmann und Stadler brillieren, wenn sie
überzeichnen, wenn sie den Melodiefluß brechen, wenn Tempo und Dynamik eskalieren.
Brinkmann ist dabei ein exzellenter Stilist. Sein Klezmervokabular ist vielseitig, klingt immer natürlich und ist geschmackvoll eingesetzt. Stadler klingt nach etwas weniger Klezmererfahrung, vor allem seine Tanzrhythmen lassen gelegentlich etwas Gewicht und Fluß vermissen. Dafür ist er ein
erstklassiger Improvisator, und sein Spiel ist immer leicht, erfrischend, sensibel.

nu bewältigt eine weite stilistische Spannbreite. Herr Brinkmann ist ein intelligenter und versierter Komponist, der aus vielfältigsten musikalischen Erfahrungen schöpfen kann. Das gut aufgebaute Album präsentiert zwei Suiten seiner Theatermusik, umrahmt von zwei traditionelleren Klezmersets.
Und die Musik bleibt spannend: nu lieben die musikalischen Überraschungen, die unvorhergesehenen Wendungen, den gelebten Moment. Dabei bleibt manchmal die architektonische Perspektive etwas auf der Strecke, aber das scheint ein geringer Preis angesichts der Lebendigkeit des Albums.

 

Die CD ist hervorragend aufgenommen und sieht blendend aus.
Die Gestaltung übersetzt konsequent den minimalistischen Gedanken, und gewinnt wie die Musik aus der Schlichtheit ihre Stärke.

Ach ja: Herr Brinkmann singt! Als Sänger liebt er die leisen Töne und einen feinsinnigen, hintergründigen Humor. Rhythmische Spannung vor großer Geste. Ein Vergnügen.

Brinkmann und Stadler sind ein starkes Duo. Zusätzliche musikalische Spannung ziehen sie, wie es der Klezmermusik immer gut ansteht, aus regionaler Sozialisation: Herr Stadler lebt in Bonn.
Herr Brinkmann ganz und gar nicht!
Das ist vorerst Kontrast genug, und gebiert ein wundervolles Album.

Zu beziehen über die wirklich schöne Website www.nu-klezmer.de

Die Besetzung:
Georg Brinkmann - Klarinetten und Gesang
Florian Stadler - Akkordeon

 


Lieder:

1) Sakhnovski's Dobranotsh (A. E. Makonovetski)
2) Russian sher (trad.)

3) Freilekhs fun der khupe (Harry Kandel)
4) Nokh eyn tantz (T: Ch. T.Banner; M: trad.)
5) Der zaide mit di baba (Harry Kandel)

6) Oy Chanukka (M. Rivesman)

Krabat (G. Brinkmann)
7) Thema
8) Ballade
9) Tanz

10) Farges mikh nit (T: J. Jacobs; M: A. Ellstein)

Zirndorf-Suite (G. Brinkmann)
11) Der Zirndorf-Freilakh
12) Der Fürther Rebbe
13) Hora et labora
14) Red nix, Rednitz
15) Heimat
16) Die Zirndorf-Gojim

17) Yisrolik (T: L. Rosenthal; M: M. Veksler)

Budowitzer Trilogie
18) U Rabina (trad.)
19) Nokh a Dvole (trad.)
20) Russian sher (trad./G. Brinkmann)

21) Adessa mame (P. Burstein)

22) Makonovetski's Gas Nign (trad.)

 

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