Re: Helmut Eisels Artikel


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Abgeschickt von Marianne Henkel am 16 Dezember, 2002 um 08:10:30:

Antwort auf: Re: Helmut Eisels Artikel von Heiko Lehmann am 14 Dezember, 2002 um 11:03:27:

Klezmer als Genre oder als „allgemein musikalische Rezeption“? Es geht Feidman und Eisel nicht nur um eine allgemein musikalische Rezeption, sondern um eine Einstellung zum Musizieren, und die Grundlagen des „traditionellen“ Klezmer spielen dabei schon eine Rolle.
Darf ein Musiker Bach spielen und das als Jazz bezeichnen? Darf ein Musiker Schuberts Lindenbaum spielen und das Klezmer nennen – mehr noch: als Klezmer verkaufen?
Ich lege nicht Schubert auf, wenn ich Klezmer hören will.
Wenn Jacques Loussier Bach als Jazz und Giora Feidman Schubert als Klezmer interpretiert, ist das jenseits historischer Aufführungspraxis. Herausgekommen ist dennoch gute Musik.
Ob sie in Feidmans Fall die Bezeichnung „Klezmer“ verdient? Was ist das Essenzielle des Klezmer – der Kanon überlieferter Melodien, Spielweisen, Skalen und Rhythmen? Oder die Etymologie des Wortes – die jegliche Musik als Klezmer interpretierbar macht und die traditionelle Klezmermusik öffnet für andere Einflüsse - Verschmelzungen mit Jazz z.B. wie bei Dave Tarras und Helmut Eisel?
Beides, meine ich. Die Etymologie des Wortes reicht sicher nicht aus, das traditionelle Idiom mit seinen besonderen Skalen, Rhythmen und Formen zu beschreiben oder in seiner historischen Entwicklung zu erklären. Es reicht aber aus, um die Klezmermusik für die weitere Entwicklung, für neue Einflüsse zu öffnen.
Ich würde die Musik, die bei dieser letzteren Auffassung von Klezmer herauskommt, nicht missen wollen. Sicher klingt sie anders als der heute „traditionelle“ Klezmer. Aber Musik entwickelt sich, das muss sie doch, um lebendig zu bleiben. Hätte man ehedem vehement auf die Ursprünge im synagogalen Gesang und in den Volksweisen gepocht – den Klezmer, den wir heute als traditionell bezeichnen, gäbe es nicht. Die Skalen und Rhythmen, die diese „Tradition“ ausmachen, wurden im Laufe der Jahrhunderte aufgesammelt in anderen Musikkulturen und dann „eingebürgert“. Die Entwicklung geht weiter, alles andere wäre anachronistisch.
Es mag manche verwirren, wenn zwei verschiedene Ansätze unter der gleichen Bezeichnung firmieren. Es wäre vermutlich sinnvoll, ähnlich dem Jazz für die unterschiedlichen Strömungen Namen zu finden. Feidmans und Eisels Klezmerbegriff ist sicher ein sehr offener, experimentierfreudiger, das Ergebnis anders als das der historisch orientierten Musiker – aber der Klezmer in ihrer Spiel-Art ist nicht zu überhören.



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