Klezmer als Stilmix "Mestizo" aus Deutschland?

virtual klezmer Forum: An klezmer.de: Klezmer als Stilmix "Mestizo" aus Deutschland?

Christian Dawid

Montag, den 24. November, 2003 - 12:43
Ari Davidow hat gerade eine Kritik der Hip Hop Khasene veröffentlicht:
http://www.klezmershack.com/bands/socalled/khasene/socalled.khasene.html

gus

Mittwoch, den 05. November, 2003 - 14:30
Nachtrag:
eine interessante website zu Solomon & Socalled gibts unter: www.digitallisallstars.com/pages/hhk.html
mit interessanten Photos, hoffentlich bald auch Ausschnitten aus der CD usw....

PS: warum es in Deutschland leider keine sozialkritischen Texte (weder auf jiddisch, englisch noch auf deutsch) gibt, ist eine interessante Frage und vielleicht einen eigenen Diskussions-thread wert?
Das hat zum Einen damit zu tun, daß wir in Deutschland tierisch fett und faul geworden sind, zum Anderen auch mit Politik und fehlender Normalität bzgl. "Judentum". Aber wer will sich schon die Finger verbrennen, richtig?
;-)

Christian Dawid

Mittwoch, den 29. Oktober, 2003 - 08:15
Erstens weiß ich nicht, ob 'traditionell' und spirituell tatsächlich einfach so in eine Ecke passen, und zweitens... es kann kaum jemand jiddische Texte schreiben in Deutschland. That's why.

chris_di&clash1

Sonntag, den 26. Oktober, 2003 - 01:12
Hallo,
ich, Christian habe mit meinem Beitrag ja mal diese Diskussionsfolge ausgelöst. Lustig was daraus geworden ist... Zunächst vielen Dank an die tollen Hinweise von Gus, Christiane und anderen. Die Grine Kuzine, Freyrish Brothers, Solomon & Socolled's gefallen mir sehr gut. Für mich haben sich da ganz neue musikalische Horizonte eröffnet. Auch die eher traditionellen Kroke aus Polen sind einfach magic. Respekt vor dieser Musik (und ihrer Tradition).
Bei den modernen Bands fehlt mir allerdings etwas, was ich an "Amparanoia, Sergento Garcia, Macaco, Mano Nergra, Fermin Mugurzra" also der ganzen romanischen Folk-Mestizo-ecke so toll finde; diese Bands haben Texte zur heutigen Zeit und zu sozialen Anliegen. Sie richten sich z. B. gegen Rassismus oder Intoleranz. Warum wagen Klemzer – Bands, gerade im deutschen Sprachraum, nicht auch mal einen Sprung aus der - bei allem Respekt - "traditionell-spirituellen“ Ecke"? (Ausnahme natürlich Klezcore aus Kiel und die göttlichen Klezmatics die Stücke wie "Emma Goldmans Wedding" geschrieben haben).

Nachtrag:
Übrigens gibt es in New York ein abgefahrenes Magazin, das gut zu einer neuen „hybriden“ Klezmermusik passen würde: www.heebmagazine.com.
Leider gibt dort jedoch kaum Beiträge über Musik. Allerdings soll das Magazin abgefahrene Partys mit „Jewish Rap“ veranstalten.

Christian Dawid

Dienstag, den 30. September, 2003 - 21:23
Lieber Stefan,

nein, Du hast nicht behauptet, daß die alten Bekannten die HHK produziert haben, aber schon bemängelt, daß sie keine Brücke zum HipHop schaffen. Da wollte ich nur einwerfen, daß das vielleicht gar nicht ihr Job war.
Offenbar ist der Titel 'HipHopKhasene' nicht die beste Wahl. Er scheint falsche Erwartungen zu wecken. Die gleichwertige Vereinigung zweier Musikstile? Klingt nach einer guten Idee, aber denke mal im Fall Jiddische Musik/Hip Hop genau darüber nach... ein Khazan mit dröhnendem Ghettoblaster? Ein Schwarzer, der Jiddisch rappt?

Natürlich ist Michael kein HipHopper. Ich kenne seine Stimme von der Bühne nun ja ganz gut, und er kann sein künstlerisches Vokabular gewaltig erweitern, aber: das sollte er hier nun ganz offensichtlich nicht tun. Nun kann man sich fragen, ob Piranha und die anderen 'alten Bekannten' allesamt taub geworden sind und partout nicht merken wollen, daß Michael Alpert kein schwarzes Ghettokid ist, oder man kann darüber nachdenken, ob das Konzept der Platte vielleicht ein anderes ist.

Es ist. Josh Dolgin (das Ganze ist sein musikalisches Werk) kommt aus der DJ- und HipHop-Szene Montreals. Nun ist er ein sehr vielseitig talentierter Mensch und setzt sich seit einigen Jahren künstlerisch auch mit seiner jüdischen Herkunft auseinander. Und denkt darüber nach, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es so zwischen jüdischer und schwarzer Kultur in Amerika geben mag. Die Spannung zwischen Herkunft und Amerikanisierung hat nun in beiden Kulturen völlig unterschiedliche kulturelle Ausschläge gezeitigt, und es wäre musikalisch plump, einfach beides in einen Topf zu werfen. Auch darum zitiert diese Platte soviel 'Altes' und soviel Amerikanisch-Jiddisches, und Michaels pure badkhones macht im Blickwinkel eines kulturellen Zeitkaleidoskops sehr viel Sinn.

Andreas hat recht, es ist Musik zwischen den Stühlen. Sie kann gar nichts anderes sein, wenn sie sich kulturell ernsthaft auseinander setzt und nicht einfach Klischees zusammenrührt (was tatsächlich ein Indiz für 'Zugzwang' wäre). Und auseinandersetzen tut sie sich allerdings, mit viel Humor dazu.
Ich glaube kaum, daß hier jemand Angst vor Hip Hop hat. Natürlich ist der Background reduziert. Wenn er das nicht ist, kleistert er alles zu. Dann ist die HipHop-Fraktion zufrieden und die Folk-Fraktion muß klagen. Die große Kunst ist: die Beats so zu gestalten, daß sie atmen und Raum lassen für die fragile Phrasierung und Textur des jiddischen Teils. (Gutes Beispiel: der Gasn Nign.)
Da ist Josh der erste, dem das gelungen ist, und es ist keine kleine Leistung.

Christian

P.S.: So fürchterlich mißverständlich finde ich den Titel eigentlich auch wieder nicht. Es heißt ja schließlich nicht 'Jewish Hip Hop' oder 'Klezmer Hip Hop'. Ein kleiner, aber vielsagender Unterschied...
P.P.S.: >christian, laß Dich nicht von meinem leicht polemischen Tonfall provozieren<
Doch, sonst kann ich nicht zurückprovozieren! ;-)

Andreas (Andreas)

Dienstag, den 30. September, 2003 - 19:07
Die Hiphopkhasene habe ich seit ein paar Tagen und bereits mehrmals genau angehört. Die Stücke sind allesamt nicht schlecht, aber dennoch finde ich die Platte verpatzt. Sie wird ihrem Titel nicht gerecht. Mit Hiphop hat das Ganze überhaupt nichts zu tun. Ich finde es hört sich an, als würde ein Drumcomputer einen Rhythmus spielen, der von Hiphop meilenweit entfernt ist.

Naja, einfach dahinproduziert ist es wohl nicht, aber viel gedacht hat man dabei auch nicht. Sonst würde Michael Alpert nicht singen. Er setzt mit seinem Gesang dem ganzen Dilemma noch die Krone auf. Seine Stimme ist unverwechselbar gut, aber für Hiphop oder was auch immer ist er einfach nicht geschaffen. Er ist in einer anderen Welt zu Hause, in der er wirklich erstklassig ist. Um es auf den Punkt zu bringen. Ich bin der Meinung, daß durch ihn letztendlich die CD komplett "versaut" wird. Und einfach einen DJ nehmen, der einmal an den Plattenteller fasst, macht noch keinen Hiphop aus. Ich habe eher den Eindruck, als sei die alte klezmer-mishpokhe in Zugzwang geraten. Für mich ist es Musik zwischen den Stühlen. Weit entfernt von Hiphop, Rock, Pop oder sonst was. Ich habe eher den Eindruck, als haben die Herren Angst vor Hiphop. Der gesamte Background ist so runterreduziert, daß "Discotöne" garnicht erst aufkommen. Zu zaghaft und zurückhaltend alles und von Hiphop Lichtjahre entfernt. Sorry, aber ist halt meine ganz persönliche Meinung.


mein Bild

gus

Dienstag, den 30. September, 2003 - 10:18
Hallo Christian,

vorweg: sorry, verstehe nicht ganz...ich habe nie behauptet, daß die "Älteren" das Teil produziert haben.
Sie wirken/spielen mit.

Ich habe mir die CD durchaus angehört. Aber offensichtlich mit anderen Ohren als Du.
Ohne Frage: Man geht mit bestimmten Erwartungen an CDs, jeder mit anderen.
Ich habe schlicht etwas anderes erwartet, als ich von "HipHop-Klezmer" gelesen habe.

Daß es sich um eine schöne CD handelt, in der wunderbare Stücke zu hören sind (nicht nur das Solo von Zev Feldman) steht ausser Frage und darum geht es mir auch gar nicht.

Es ist eine gute CD.

Aber HipHop-Klezmer?
Klezmer - OK, kann ich nachvollziehen, ist da.
HipHop - Wo?
Es geht nicht um "reinen" Klezmer oder "reinen" Hip Hop, sondern um die gleichwertige Vereinigung 2er Musikstile.

Ich kenne HipHop und habe ein gewisses Verständnis davon. Für mich heißt das:
Feuchte dampfende Straßen, dröhnende Ghettoblaster, Turnschuhe, Dreck und Lärm. Dazwischen schwarze Revolution, funky rythmus, Sprechgesang, usw klischee eben ;-).
(hier ein Beispiel: Soul Assassinis)
So gut & nett Michael Alpert ist und so gern ich ihn sonst mag, aber ich denke eine andere Besetzung wäre an dieser Stelle vielleicht nicht schlecht gewesen?
Jemand mit ein wenig mehr HipHop? So klingt das doch einfach jämmerlich!

HipHop und Klezmer:
Ein paar nette samples und (wohlgemerkt!: schöne) klangliche Experimente, eine gute Produktion usw. reichen nicht aus.
Ich war einfach enttäuscht, nicht zu finden was ich erwartet hatte: Eine gleichwertige Mischung 2er Musikstile.
Hör Dir Red Snappers Mischung aus Jazz und HipHop an: wunderbar miteinander vermengt und man kann beide Stilrichtungen erkennen.

Summa: Es ist eine tolle CD, aber es ist nicht das drin was drauf steht und deshalb sage ich:
Versuch gescheitert!
(dazu brauche ich keine Meßlatte ;-)

Grüße,
gus

PS: christian, laß Dich nicht von meinem leicht polemischen Tonfall provozieren ;-)

Christian Dawid

Sonntag, den 28. September, 2003 - 11:18
Moment mal... die 'Älteren' haben das Hip-Hop Projekt nun nicht produziert... dafür verantwortlich ist der Kanadier Josh Dolgin, durchaus jung und Hip-Hop bewandert und ein hoch geschätztes Allround-Genie in der Szene, der seine sicherlich sehr eigenwillige elektronisch-musikalische Sprache entwickelt hat. All seine Samples sind höchst aufwändig und musikalisch reflektiert entwickelt (viel aus historischen Aufnahmen), das Ganze kann man mögen oder nicht, aber es hat definitiv musikalisch Hand und Fuß und ist nicht einfach so dahinproduziert. Der Mann liebt die Musik, und ich finde das in vielen wunderschönen Details auch sehr hörbar. Gerade das es soviel mehr ist als nur Fat Beat über Klezmer Sound, macht es zu einer klugen, musikalisch hochwertigen Produktion. Das Hip-Hopper es nicht 'echten' Hip-Hop und Klezmeriks es nicht genug Klezmer finden ist die offensichtliche Gefahr dabei. Und die 'alten Bekannten' sollen ja auch nicht so tun, als wären sie nun blutjunge Clubber, sondern ihre Qualitäten werden gnadenlos herausgepflückt und verwertet. (Soweit ich höre, hat das allen Beteiligten viel Spaß bereitet.)
Mögen muß man's natürlich nicht. Und über Schwächen kann man diskutieren. Aber 'kläglich gescheitert'? An welcher Meßlatte?
Hör nochmal hin, Stefan... ;-)

Christian Dawid

gus

Dienstag, den 23. September, 2003 - 13:04
www.piranha.de hat vor kurzem eine neue CD veröffentlicht:
Solomon & Socalled - "Hiphopkhasene"
mit vielen Bekannten (David Krakauer, Michael Alpert, Frank London, Zev Feldman, usw.)

Allerdings nur ein sehr halbherziger Versuch, HipHop und Klezmer zusammenzubringen.
Obige Bekannte spielen ihren guten alten Klezmer und schaffen keine Brücke zum HipHop.
Meiner Ansicht nach zwar eine relativ gute Klezmer CD, aber das Vorhaben HipHop-Klezmer ist kläglich gescheitert.
Ich denke, da müssen andere, jüngere kommen... ;-)
Schade.

Grüße,
gus

fabian

Montag, den 22. September, 2003 - 19:33
Hallo, ich habe mir die CD Bucovina Club gekauft: http://www.musicline.de/de/product/Various/Shantel:+Bucovina+Club/CD/4019593893827 Sie ist derzeit - obwohl eigentlich nicht Klezmer - mein Favorit, ich denke manche Klezmer Fans könnten das mögen. Außerdem: Russendisko http://www.indigo.de/unser_programm/titel/0308/. Ich hoffe, es ist was für Dich dabei. =:-) Fabian P.S. Falls jemand etwas in Richtung Klezmer und House, Trip Hop, Lounge kennt ...

Referat Kultur

Dienstag, den 16. September, 2003 - 09:55
Die Geschmäcker sind verschieden.
Das Können ist Grundverschieden.
Der Markt kennt (fast) nur das Bekannte im Sinne von: "was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht."
Andererseits atomisiert sich der Musikmarkt immer noch in zig-Millionen Schubladen.
Kunst und anspruchsvollere Kultur bleibt da wohl auf der Strecke. Damals die Mark heute der € sind das Maß, was an dem potentiellen Kunden vorgesetzt wird. Dementsprechend gibt es auf dem Klezmermarkt Weiterentwicklungen der Klezmermusik. Und dies sogar reichlich.
Beispiele:
"Naftules Dream" (USA) ist mit ihrer Umgehensweise mit der Klezmertradition beispielsweise anhörenswert empfehlbar. Auf andere Weise, und dennoch ebenso mehr als eine Hörprobe wert, ist die deutsche Formation "Di Grine Kuzine" gut hörbar. "Kroke" (Polen) treibt mit Virtuosität die osteuropäische Musiktradition in ein modernes Gewand der Gegenwart.

clash1

Montag, den 08. September, 2003 - 17:40
Hallo Christine,
vielen Dank für deinen Hinweis. Habe mir die Demos gleich angehört. Rauh und roh würde ich sagen, ganz erfrischend. Mir würde etwas mehr Groove, Tempowechsel oder sowas gefallen. Aber ich will nicht mekern. Oder doch. Ich finde es immer schade, dass ausser der "Hamburger Schule" in Deutschland niemand was textlich zu sagen hat. Obwoh "Rackzackzack" schon auch grooved. Eine bischen erinnert mich euere Band an eine Balkanbrasscoreband aus Seatle, die sind allerdings schon etwas raffinierter. Vielleicht gefällt es euch: KulturShock.com

Viele Grüße Christian

gus

Montag, den 08. September, 2003 - 09:37
Hi Chris,

ja in der Tat sind es nicht sehr viele Gruppen, die den sag ich mal "gewohnten traditionellen Weg" verlassen und wirklich moderne Einflüsse in ihre Musik mit aufnehmen.
Problem ist, daß der Markt in Deutschland ziemlich voll ist, d.h. es gibt ne Menge Klezmer-Gruppen und die Konkurrenz ist groß. Gerade in dieser engen Nische. Und je "moderner" Klezmer in Deutschland gespielt wird, desto kleiner wird die Zielgruppe.
Eine deutsche Gruppe mit punk/Surf-Einflüssen sind die Freygish Brothers (siehe Besprechungen, bzw. Neuigkeiten)

Die meisten CDs entstehen in den Staaten, vor allem auf dem Tzadik- Label von John Zorn (Bsp.: Jamie Saft, siehe Besprechung hier auf klezmer.de)

Grüße.

Christine

Montag, den 08. September, 2003 - 01:32
Moin!
Just seit diesem Jahr gibt es in Kiel das Projekt
KLEZCORE. Infos und drei Demo-Stücke auf unserer Homepage http://www.klezcore.de
Raus aus der Hecke, in die Hacken beißen und wieder weg!

chris_di

Sonntag, den 07. September, 2003 - 18:37
Liebe Nutzer und Macher von Klezmer de.

ich selbst bin DJ und Veranstalter von "Mestizo" Konzerten. Mestizo nennt sich eine wilde Mischung aus Folk, Lateinamerikanischen Rythmen, Punkrock und Elektronik. Bekannteste Bands sind Manu Chao und Amparanoia. (Siehe Luchaamande.de oder Radio Chango.com) Mestizo gibt es in Frankreich, Spanien und Lateinamerika. Jedoch nicht in Deutschland. Die einzige Musik die "deutsche"Musiker in einen solchen Stilmix üre meines Erachtens auch nur Klezmer. Einige der weniger Musiktradionen auf die man sich als in Deutschland neben Brecht/Weil positiv beziehen könnte. Es ist nur so, dass ich viele Klezmerbands musikalisch recht konventionell finde. Mir fehlen einflüsse von Elekronik und Punk. Einzige Veröffntlichung in dieser Richtung kommt aus der Klezmatics Ecke: Frank London: Musik from the movie. The Shvitz"
Frage: wer kennt inovative Klermerbands die auch solche Einflüsse von Punk und Elektronik verwenden. "Inedependent-Klezmer"?


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