(Besprechung: Rudolf
Harder)
Klezmer Improvisationen mit Helmut
Eisel im Bildungshaus Kloster
Schöntal/Jagst vom 23.2.01 bis 26.2.01
Improvisation? Off-Road ohne Noten
durchs musikalische Gelände? Besonders klassisch
vorgebildete Musiker haben ein Riesenproblem
damit. Weil, da gibt es soviele Regeln zu beachten:
Tonart, Rhythmus, Ostinato, Kontrapunkt oder
Prima-vista-Spiel - man kann ja etwas falsch
machen und jeder Laie hört das.
Schon seit Jahren veranstaltet Helmut Eisel
Workshops unter dem Thema "durch Klezmermusik
zur Improvisation", zu dem er auch ein
Notenbuch mit Übungs-CD veröffentlicht hat.
Aber wer gräbt sich gern allein durch dieses
Thema, das so nach Mitspielern verlangt? Also
nahm ich auf vielerlei Empfehlung an diesem
Workshop teil. Wir waren buntgewürfelt, von
Anfängern bis Semi-Profis, Alter von acht bis
über siebzig, 13 Frauen, 13 Männer - ein Kind,
teilweise schon Erfahrung mit Klezmermusik.
Die Umgebung im Kloster ist sehr angenehm, ich
habe weder Schwimmbad, Fitnessraum, Sauna oder
Tennisplatz vermisst, die sonst bei solchen
Seminaren die Teilnehmer locken.
Erste Erfahrung, es wird viiel gesungen! Aber
wer Freitag abend bei Beginn noch mit unsicherer
Stimme seinen erste Melodiebaustein in den Raum
sang und sich vielstimmig bestätigt hörte, der
befand sich erst am Eingang zur musikalischen
Erfahrung der besonderen Art. Sechzig Stunden
später haben wir einen dreistimmigen Kanon gesungen,
der ergriffenes Schaudern durch den Körper jagte.
Helmut Eisel selbst lenkte einfühlsam die Teilnehmer
aus Ihren Versagensängsten: "Wenn der Ton
falsch klingt, singe ihn nochmal und lausche
dem neuen Klang." Denn leider erzieht unsere
schulische Musikerziehung zum Anspruch, perfekt
sein zu müssen. So bleibt die ewige Frage, was
ist interessanter? Das Rauhe - oder das Glatte?
Einmal klang die Gruppenimprovisation mit Rhythmus
dann doch mehr wie Indianergesänge in alten
Western als wie Klezmer, aber es macht herrlich
viel Spaß.
Mit Hilfe eines modifizierten Glockenspiels
und Xylofons wurden wir in den Skalentrick der
Klezmer-Tonleitern "Ahava Raba" und
"Misheberakh" eingewiesen. Bald danach
konnten wir dann in unserer Gruppe die ersten
Frage-Antwort-Töne und die erste Doina buchstabieren.
Einige produzierten gleich endlose Bandwurmmelodien,
die Helmut mit dem Martin-Luther-Zitat "Steh
auf, mach's Maul auf, hör bald auf!" bremste.
Plötzlich war alles ganz einfach...
Der Höhepunkt für einige war eine anarchische
Klang-Rhythmus-Session am Samstag Abend, wo
jeder die Sau herausgelassen hat und von der
es zum Glück keine Aufnahme gibt. Einziger trüber
Punkt des gelungenen Wochenendes war der latente
Druck, diese unausgegorenen neuen Eindrücke
(bei mir setzen sich neue Erkenntnisse erst
eine Woche später) schon am Montag Nachmittag
vor Publikum präsentieren zu müssen. So standen
wir dann alle unter der Spannung, aus welchen
Stücken dann das gemeinsame Konzert bestehen
soll. Hier half Helmut mit langjährige Erfahrung
und formte aus den Beiträgen einen sehr schönen
Abschluß des Wochenendes, der beim Abschied
für manch' feuchtes Auge sorgte.
"Ich bin heimgeflogen wie ein Engel!"
erzählte ein Teilnehmer schon in der Eingangsrunde
vom letztjährigen Seminar, so war es auch diesmal,
denke ich, für uns alle.
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